Christof Ruiz-Lutter | Experte für gesundes Sitzen
29. Oktober 2020
Laufen lernen wir von klein auf. Wie wir richtig sitzen, wird uns hingegen nicht beigebracht. Das ist ein Fehler, denn sitzen wir falsch, sind Rückenschmerzen die Folge. Diese Schmerzen und Verspannungen sind ein Symptom für zahlreiche Ursachen, derer wir uns meistens nicht bewusst sind. Wir haben für Sie zusammengefasst, wie Sie richtig sitzen und wie Sie mit der richtigen Gewohnheit viel in Ihrem Leben bewegen.
Drei Tipps, die Ihnen den Rücken stärken
Es wird viel falsch gemacht in deutschen Büros. Oftmals passen wir uns dem Arbeitsplatz an und nicht der Arbeitsplatz an uns. Es findet zwar ein Umdenken statt, aber dies wird laut dem DAK Gesundheitsreport 2018 nicht in die Tat umgesetzt: Von 2003 bis 2018 stieg die Zahl der Menschen, die schon einmal Rückenbeschwerden hatten, von 55% auf 75%. Jeder Dritte leidet somit mindestens einmal im Jahr unter Rückenschmerzen.
Dabei sind es vor allem drei Dinge, die gegen Rückenschmerzen helfen: die korrekte Sitzhaltung, die richtige Einrichtung und bewusst gesunde Gewohnheiten.
Der Körper beim richtigen Sitzen: Spannung ja, Verspannung nein
Wenn Sie sich hinsetzen, machen Sie etwas, was unseren frühesten Vorfahren meistens verwehrt blieb. Wir sind für das Laufen gebaut und kommen erst mit dem Sitzen zur Ruhe. In der heutigen Arbeitswelt sitzen wir beim Arbeiten und beim Ausruhen. Das bedeutet, dass wir im Durchschnitt mehr als 6 ½ Stunden im Sitzen verbringen.
Ihr Körper ruht sich beim Sitzen nicht aus. Die Muskeln arbeiten weiterhin, um dem Oberkörper Stabilität zu verleihen. Dadurch entstehen oftmals einseitige Belastungen, die bestimmte Rücken- und Muskelpartien auf Dauer überlasten. Das heißt für Sie: Die Belastung muss gleichmäßig verteilt werden. Achten Sie dabei darauf, dass
- die Füße vollständig mit den Sohlen am Boden aufliegen,
- die Beine gegenüber dem Oberschenkel im 90° Winkel liegen,
- Ihr Becken leicht nach vorne gekippt ist,
- Sie mit dem unteren Rücken noch den Stuhl berühren,
- der obere Rücken weder übermäßig nach hinten, noch nach vorne geneigt sind,
- die Arme im besten Fall zu 90° auf dem Tisch oder der Lehne aufliegen,
- die Schultern entspannt nach hinten gerollt sind,
- Ihr Nacken gerade gestreckt ist
- und Ihr Kopf im besten Fall gerade aus zum Bildschirm blicken kann.
Die grundlegende Sitzhaltung ist in der Balance: nicht zu entspannt, aber auch nicht verspannt. Es ist wichtig, dass keine einseitige Belastung entsteht und Ihr Körper in Bewegung bleibt.
Richtig sitzen heißt bewegt sitzen
Leider sind selbst mit der besten Balance und Haltung die Rückenmuskeln irgendwann ermüdet. Wenn die Muskulatur erschlafft, steuern wir unterbewusst dagegen. Die Folge ist eine bequemere, aber dafür aus der Balance geratene Sitzposition, die langfristig mehr Schaden anrichtet. Wenn wir uns zum Beispiel nach vorne auf den Tisch lehnen zum Lesen und dabei buckeln, entsteht eine Mehrbelastung für den unteren Rücken. Lehnen wir uns stark zurück, wird der obere Rücken überstrapaziert. Wie lösen Sie also das Dilemma?
Indem Sie bewegt sitzen. Wir haben als Kinder in der Schule gelernt, still und starr zu sitzen. Das ist manchmal nützlich und notwendig, etwa als Gast bei einer Hochzeit. Das ist aber keine Basis für lang andauernde und intensive Büroarbeit. Diese starre Haltung sollten Sie durch häufige Positionswechsel ersetzen, und zwar so wie es sich für Sie richtig anfühlt. Verändern Sie die Position der Arme oder lehnen Sie sich für ein paar Minuten mehr nach vorne oder nach hinten. Durch diese Wechsel erzeugen Sie eine gleichmäßige Stimulation der Muskeln, was diese besser durchblutet und langfristig besser trainiert. Die Bandscheiben werden dadurch auch besser mit Nährstoffen versorgt.
Zusätzlich sollten Sie auch Bewegungspausen einlegen. Alle 40 Minuten kann Aufstehen dabei helfen, die Rückenmuskeln zu entlasten. Dadurch wecken Sie Ihren Kreislauf, der dann dafür sorgt, dass Ihr gesamter Organismus wieder richtig versorgt wird – auch Ihre Wirbelsäule. Stehen Sie daher auf. Bieten Sie an, für Ihre Kolleginnen und Kollegen ein Getränk mitzubringen und nehmen Sie, wenn möglich, dabei die Treppe. Mit 5 Minuten an Bewegung haben Sie bereits viel getan im Kampf gegen die Rückenschmerzen.
Doch was passiert, wenn die Nackenschmerzen sich bereits ankündigen? Intuitiv machen Sie vermutlich alles richtig: Sie kreisen Ihre Schultern und versuchen, durch sanfte Bewegung den Schmerz in den Griff zu kriegen. Ein Tipp: Verbinden Sie das mit regelmäßigem Dehnen aller Rücken-, Bein- und Armpartien. So halten Sie Ihre Muskeln geschmeidig und schonen diese noch besser.
Auf die Ergonomie kommt es an
Wenn Sie beim nächsten Abendessen mit Sprachwissen punkten wollen, können Sie den Begriff „Ergonomie“ erklären: Das ist laut Duden die optimale wechselseitige Anpassung zwischen dem Menschen und seinen Arbeitsbedingungen. Das heißt konkret: Sie haben die Freiheit, Ihren Stuhl, Tisch und Arbeitsgeräte so anzupassen, wie es Ihnen passt.
Stühle und Schreibtische sind dann ergonomisch, wenn sie verstellbar sind. Bei Stühlen ist insbesondere wichtig, dass
- die Rückenlehne flexibel ist und sich im besten Fall mitbewegt,
- die Sitzfläche variabel bewegbar ist,
- die Sitzhöhe verstellbar ist,
- die Armlehnen verstellbar sind,
- ein Federmechanismus vorhanden ist
- und die Stühle durch Rollen Bewegung zulassen.
Schreibtische sind ergonomisch, wenn diese höhenverstellbar sind. Besonders praktisch ist es, wenn Sie bei der Arbeit vom Sitzen zum Stehen wechseln. Dadurch entlasten Sie Ihren Rücken und nehmen eine dauerhaft natürlichere Position ein.
Wann haben Sie zuletzt Ihren Schreibtisch begutachtet? Sie sollten es hin und wieder tun, denn die Gegenstände auf dem Tisch spielen beim richtigen Sitzen auch eine Rolle. Die Tastatur und Maus sollten nahe am Körper liegen, sodass deren Benutzung mit einem entspannten Ablegen der Unterarme möglich ist. Der Ellenbogen sollte nah am Oberkörper sein. Achten Sie auch darauf, dass die Eingabegeräte sich etwa 10–15cm von der Tischkante entfernt befinden.
Warum haben so viele Leute Rückenschmerzen?
Rückenschmerzen haben viele Gründe. Bewegungsmangel, falsche Ernährung, Stress und die falsche Sitzhaltung sind nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was Forscher heutzutage als Ursachen für Beschwerden am Rücken benennen.
Die Folgen von falschem Sitzen sind gravierend: das Herz- und Kreislaufsystem wird dadurch unterfordert, was in Müdigkeit umschlägt. Die Muskeln im Rücken verkümmern auf lange Sicht durch einseitige Stimulation. Sie verkürzen sich, werden schwächer oder verspannen sich schmerzhaft. Der gesamte Körper erhält zu wenig Sauerstoff. Die Wirbelsäule und deren Bandscheiben erleiden Schaden. Werden diese Prozesse nicht frühzeitig erkannt und bekämpft, sind Fehlhaltungen im Rücken, eine dauerhafte Schiefstellung der Wirbelsäule sowie Kreislauferkrankungen die Konsequenz.
Sie können Rückenschmerzen vermeiden, indem Sie das Thema richtig sitzen zum Thema machen. Ihr Rücken ist ein Unikat und auf Ihren Körper ausgerichtet. Wenn er dauerhaft Schaden erleidet, so wird er diesen in Form von Schmerz an Sie weiterleiten. Nehmen Sie sich vor, die oben genannten Hinweise umzusetzen und Ihrem Rücken durch Massagen oder Saunagängen eine Wohltat zu tun. Ebenfalls hilfreich sind der Erwerb und die Nutzung von ergonomischen Stühlen auf der Arbeit und zu Hause.
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